Abschlussfahrt nach Prag

Gedankenabriss

Nach über einer Woche in Prag kann ich nur sagen, dass ich diese Großstadt, die Metro, die Tram, die Restaurants, ja sogar den Lärm, vermisse, besonders das ungewöhnlich günstige, gute Bier. Und weil zu dieser Zeit Deutschland in der WM gespielt hat, wurde auch jede Menge Staropramen (natürlich alkoholfrei) verkostet – war ja egal, ob gewonnen oder verloren wurde. Und so viel Spaß wir auch hatten, sei es eben beim Fußballschauen, dem kuriosen Besuch beim Schwarzmarkt (über die Ausbeute sollte man wohl aus legalen Gründen nicht öffentlich sprechen) oder einfach nur die spontanen Versammlungen auf den Zimmern, gab es auch wirklich anstrengende Tage. Natürlich war es körperlich ermattend, beispielsweise mehrstündig in der prallen Hitze an der Moldau entlangzuwandern, aber was mehr Spuren hinterlassen hat, war der Ausflug nach Theresienstadt und Lidice.

Über Lidice habe ich bereits geschrieben und es verarbeitet. Es war teilweise wirklich schwer Tränen zurückzuhalten – manchen gelang es gar nicht erst. Fernab von der emotionalen Seite habe ich aber eine sehr interessante Entdeckung gemacht: Wie Informationen Erwartungen zerstören und völlig neue Bilder formen. Wenn man sich zunächst auf das Gelände von Lidice begibt, sieht man nur weite grüne Wiesen, wirklich bildschön. Leute spazieren, spielen mit ihren Kindern, führen die Hunde aus. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir nur lustige Gedanken, man kann ja nicht damit rechnen, was hinter der Geschichte einer Wiese steckt. Als dann unsere Führerin von den Bewohnern und ihrem Schicksal zu erzählen begann und ihr dabei Tränen in die Augen schossen, waren es plötzlich nicht nur Wiesen, sondern viel mehr. Mein Lehrer wechselte dort beiläufig ein paar Worte mit mir: „Das ist das schrecklichste Denkmal.“ „Keins“, fügte ich kopfschüttelnd hinzu, aus purer Trauer und Enttäuschung über das, was ich auf diesem Boden zugetragen hat. All das Blut, die Tränen, das Leid waren inzwischen längst in den Boden versickert, bloß wir schreiben der Grünfläche diese Bedeutung zu, halten diese Erinnerungen frisch. Ich schätze, das müssen wir tun und das soll sich nicht nur auf Lidice beschränken. Komisch, dass wir den meisten unserer Feiertage keinen besonders großen Wert oder Emotionen zuschreiben, höchstens ein „Geil, heute frei.“

Theresienstadt habe ich als weniger emotional in Erinnerung. Das liegt wohl daran, dass es zur Zeit des Besuchs sehr früh war und ich auf dem Hinweg geschlafen habe, dazu hatte unsere Führerin – nicht dieselbe, wie in Lidice – keine großartige Motivation uns durch diese Festung zu führen, aber eben der Aspekt der Festung hat mich so fasziniert: Wo man auch hinschaut hohe und dicke Mauern, sich überall durchziehende Tunnel, Schießsparten, überschaubare Innenhöfe, fast vollständige Ausbruchssicherheit. Und obgleich ich völlig schlaftrunken war, konnte ich mir vorstellen, dass die Arztbesuche, das Duschen und Schlafen dort absolut kein Vergnügen war. Danach sind wir erst nach Lidice gefahren. Zu wissen, wo die Frauen und Kinder hinkamen, die nicht wie die Männer an Ort und Stelle exekutiert wurden, traf einen dann im Nachhinein.

Ich hätte sicherlich über ein paar fröhlichere Themen sprechen können, allerdings halte ich diese Erfahrungen für besonders wertvoll und brauchte noch eine Plattform, um mich auszusprechen, diese Orte liegen mir eben noch auf dem Herzen. Insgesamt war es eine sehr muntere Fahrt, wir haben sehr viel Spaß gehabt, sehr viele Späße getrieben und merkwürdige Spielchen in der Innenstadt gespielt. Ich lege es also jedem einfach ans Herz mal nach Prag zu fahren, gerade die Architektur ist atemberaubend, der starke Nationalitätenmix ist auch mal sehr interessant anzuschauen, alles von Spaniern bis Russen ist vertreten, und das Essen ist auch sehr lecker (mit Geduld, einem wachsamen Auge und Google Maps ist das Essen auch sehr günstig). Ich würde mich aber von abgelegenen Subways fernhalten, bei denen man zu keiner Uhrzeit irgendeinen Kunden entdecken kann; das Portemonnaie sollte man in irgendeiner Bauchtasche tragen, das Smartphone übrigens auch; bei Verhandlungen auf dem Schwarzmarkt ist es ratsam hartnäckig zu bleiben; Schwarzfahren lohnt sich nicht, weil man weniger als einen Euro für die Tickets zahlen muss, die Strafe ist unendlich viel höher – hab ich mal gehört.

(Übrigens habe ich ein paar Bilder auf meinem instagram Profil hochgeladen. Ihr findet die Verlinkung in der Menüleiste.)

D.S.